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Newsletter #5
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Herzlich willkommen zum fünften Newsletter von dieMotive.
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Fast zeitgleich mit der Fertigstellung dieses Newsletters erreichte mich die Nachricht von der Gründung des gemeinnützigen Vereins Zentrum für Fotografie Essen, einem Zusammenschluss der Folkwang Universität der Künste, des Historischen Archivs Krupp, des Museum Folkwang und des Ruhr Museums. Diese Institutionen haben schon lange zusammengearbeitet und nun wird diese Zusammenarbeit in einem Verein gebündelt. Dazu kann man nur gratulieren. Ob das nun als Reaktion auf die Beschlüsse zu einem Bundesinstitut für Fotografie zu lesen ist, sollte eigentlich egal sein. Es passiert etwas, das ist immer erfreulich. Der folgende Text wurde vor der Bekanntgabe der Vereinsgründung geschrieben und ist daher unabhängig davon zu lesen.
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Mit Sandsack vor dem Serverraum
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Es ist ruhiger geworden, ruhiger als erwartet. Die Gründungskommission für das Deutsche Fotoinstitut scheint an der Arbeit zu sein. Das ist gut so. Auch der Standortdiskurs hat sich inzwischen beruhigt. Noch besser. Ging es doch fast ausschließlich um den zukünftigen Standort und die Frage, wer denn nun die besseren, bereits vorhandenen Kompetenzen mitbringt, um ein Institut zu gründen. Essen hatte den Platz und wirklich Tradition, Düsseldorf die Nase vorn und den frühen Vogel in der Tasche. Will sagen: Es gab eine Zusage und was sich daraus entwickelt hat, ist inzwischen gut dokumentiert. In dem ganzen Wirrwarr aus Meinungen, Konzepten, Kommissionen, Millionen, Zusagen, Beschlüssen und guter bis schlechter städtischer PR wurde zumindest die Kernaufgabe nie wirklich öffentlich diskutiert. Warum, kann man nur vermuten. Die Konzepte aus Düsseldorf und Essen jedenfalls setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Hüben wie drüben werden gerne die Worte Archiv, Sammlung, Konservierung, Restaurierung, Nachlass und Vorlass bemüht, um die Dringlichkeit einer nationalen Institution zu unterstreichen. Alles nicht falsch und sicherlich wichtig. Zwei Punkte wurden jedoch immer wieder vernachlässigt.
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Die grundsätzliche Irrelevanz des Standortes und eine fundierte Einschätzung, wie nicht nur mit jetzigen, sondern auch mit zukünftigen Archiven umgegangen werden soll, wurden kaum formuliert. Es war fast schon amüsant zu beobachten, wie beide zur Diskussion stehenden Standorte sich bemühten, ihre eigene Kompetenz und Geschichte als Argument für den Standort anzuführen. Ich habe das bis heute nicht verstanden. Welche Relevanz hat die historisch gewachsene Kompetenz eines Standortes für die praktische Umsetzung einer Neugründung? Wenn alle bestehenden Institutionen schließen, um in einem neuen Institut wieder aufzuerstehen, dann, ja dann kann man vorhandene Kompetenz nutzen. Sonst bedeutet eine Neugründung eben auch neue Mitarbeiter*innen, neues Haus, neue Aufgaben, neue Ideen. Das kann man, sorry, auch in der Gemeinde Edermünde gründen. Telefon- und Internetanschluss haben sie auch, eine Autobahn ist in der Nähe und ein ICE-Bahnhof in Kassel um die Ecke. Auf nach Edermünde! Bei steigendem Meeresspiegel sind da auch keine Probleme zu erwarten. Wäre eine sichere Bank. Soll ja die Menschheit überdauern: mein Fotoschatz.
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Und wenn die historisch gewachsene Kompetenz nun (aus nachvollziehbaren Gründen) wirklich ins Gewicht fallen sollte, dann könnte man von beiden Seiten auch die Ehrlichkeit erwarten, dass Köln in diesem Fall wirklich mehr im Rucksack hat. Geschenkt. Es ist, wie es ist, es soll wohl Düsseldorf werden. Das Institut kann überall stehen, also auch in Düsseldorf. Nur bitte nicht auf der Grundlage des Konzepts des DFI E.V. Ich vermute, dass die Initiative um Andreas Gursky und Moritz Wegwerth nicht wirklich mit diesem Ausmaß an Diskussionen gerechnet hat, als sie den Verein gründete. Sie hatten selbstredend die Fokussierung auf künstlerische Arbeiten im Sinn, das ist die Kernkompetenz der beiden. Ihnen das vorzuwerfen, zeugt eher von einem Mangel an Empathie und Reflexion als von sachlicher Argumentation. Die Idee einer größeren, umfassenderen Institution kam erst in den öffentlichen Diskurs (sie war schon vorher gedacht, aber nie wirklich ausformuliert worden), nachdem 41 Millionen bewilligt waren und offenbar viele dachten: „Hä, damit kann man doch so viel Besseres machen, als großformatige Fotografien zu restaurieren“. Ja, das könnte man.
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Was die Diskussion dann etwas erschwerte, war die Tatsache, dass man in Düsseldorf bereits den Namen „Deutsches Fotoinstitut“ in den Vereinsnamen geschrieben hatte. Dumm gelaufen. Denn der Name war wohl etwas zu groß für das eigentliche Konzept und die Idee. Jeder und jede hatte plötzlich eine sehr genaue Vorstellung davon, was so ein Institut sein sollte. Und warum es notwendig war. So konkurrierten nicht mehr nur Städte, sondern auch Ideen für ein Institut um Geld und Politik und jeder wollte etwas anderes. Mal mehr konzeptionelle Tiefe, mal weniger Politik, mal mehr inhaltliche Breite, mal mehr Prestige, mal mehr Zukunftsfähigkeit, mal mehr historische Archivbestände.
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Die Frage, ob das wirklich nötig sei, wurde zwar durchweg bejaht, aber die Gründe dafür waren fast so unterschiedlich wie die Kiesel am Strand.
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Ausstellungen und Events bis zum 17.03.24
Die folgenden Empfehlungen und Nennungen speisen sich aus dem dieMotive-Veranstaltungskalender. Was eingetragen ist, kann auch genannt werden.
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ERÖFFNUNG: Morgen, 01.03.2024, 18:00 Uhr, Galerie Klemm's
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Erica Baum: Snap If, 2023, aus der Serie Fabrications. Pigmentdruck, 47,75 x 40,64 cm. Eigentum der Künstlerin und Klemm’s Berlin.
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In ihrer zweiten Einzelausstellung in der Galerie wird ihre neueste Serie ‘Fabrications’ präsentiert. Ihre gesamte Karriere hindurch hat Baum verschiedenste Druckmedien durchforstet, um neue und überraschende Gegenüberstellungen von Text und Bild zu generieren. Seit nunschon drei Jahrzehnten konzentriert sie sich darauf, beiläufige Momente von zufällig entstandener Poesie, Schönheit und Humor zu extrahieren und zu generieren, die ansonsten unentdeckt bleiben würden. […] Baums fotografische ‚Fabrikationen‘ erkennen und verstärken die Materialität ihres Sujets, sowohl die abgebildeten Textilien als auch die bedruckten Papierquellen selbst.
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Wo? Galerie Klemm's | Prinzessinnenstraße 29 | Berlin
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Licht.Mensch.Raum Fotografien von Andreas Görß
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ERÖFFNUNG: Morgen, 01.03.2024, 17:30 Uhr, Galerie Streulicht Berlin
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Die Fotografien des Berliners Andreas Görß entstehen auf Spaziergängen durch die Städte Europas. Auf diesen Streifzügen fotografiert er am liebsten Architektur mit all ihren Linien, Symmetrien und faszinierenden Reflexionen. Besonders gefällt es ihm, wenn das Licht seine eigenen Spiele treibt. Seine Arbeiten sind durchkonstruierte Kompositionen voller Ästhetik. Der Betrachter findet eine Synthese aus Geometrie, Licht und Schatten.
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Wo? Galerie Streulicht Berlin | Belziger Strasse 25 | Berlin
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ALICJA ROGALSKA & LAURA BIELAU
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ERÖFFNUNG: Samstag, 02.03.2024, 17:00 Uhr, Kunsthalle Recklinghausen
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Laura Bielau, Untitled (from ARBEIT), 2016, gelatin silver print, 71 x 124 cm
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Zwei Einzelausstellungen untersuchen Wertschöpfungsdynamiken und die gesellschaftspolitische Kraft von Bildern im Umgang mit postindustriellen Lebenswirklichkeiten. Kuratiert von Miriam Edmunds und Maxie Fischer.
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Alicja Rogalska arbeitet mit kollaborativen und partizipatorischen Situationen, Prozessen und Aktionen. Einzelpersonen und Gruppen werden von ihr eingeladen, temporär Kollektive zu bilden, die in einer geteilten Lebenssituation, in gemeinsamen politischen Überzeugungen oder gesellschaftlichen Engagements gründen. Ihre Videoarbeiten betonen Momente von Handlungsfähigkeit, Solidarität und Rebellion und öffnen so einen Raum für die Vorstellung einer gesellschaftlichen Zukunft jenseits von Ausbeutung und Vereinzelung.
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Die Arbeiten von Laura Bielau entstehen als eine Auseinandersetzung mit den Konventionen und Erwartungen an das fotografische Bild. Zentral ist in diesem Zusammenhang das Labor als ein Ort des Experiments, der Kontrolle und der Produktion. Während sie zunächst die Handlungszusammenhänge im lichtdichten Raum der Dunkelkammer in den Blick nimmt, weitet sich ihr Themenspektrum ausgehend vom Fotolabor zu wissenschaftlichen Laboren. In ihren als Serien konzipierten Arbeiten umkreist sie ihre Sujets wie eine Forscherin über mehrere Jahre hinweg. Sukzessive und in immer neuen Anordnungen und Kontexten untersucht sie die Konstruktion, Aussage- und Verweiskraft von Bildern. Ihre Fotografie ist ein Geflecht aus Referenzen, Metaphern und Verweigerungen und dabei stets eine Erinnerung, dass unter jedem Bild immer schon ein anderes liegt.
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Wo? Kunsthalle Recklinghausen | Große-Perdekamp-Straße 25–27 | Recklinghausen
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ERÖFFNUNG: Sonntag, 03.03.2024, 14:00 Uhr, Sammlung Philara
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Die Sammlung Philara zeigt mit In Abwesenheit eine kuratierte Ausstellung zur Fotografie. Die Werke vereint eine Beschäftigung mit Fragen von Abwesenheit, Leerstellen und Mangel. Dabei greifen sie verschiedenste Fragestellungen sowohl zur physischen Beschaffenheit der Fotografie und ihren technischen Voraussetzungen als auch zu weiterreichenden Aspekten wie spekulativer Fiktion, Zugehörigkeit, Nostalgie und Verunklärung auf
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Wo? Sammlung Philara | Birkenstrasse 47 a | Düsseldorf
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CROWDFUNDING
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Crowdfunding ist nach wie vor eine gute Möglichkeit, eigene Projekte zu finanzieren oder Geld für eine Buchproduktion zu sammeln. Spätestens während des Crowfundings für die erste (und einzige) Ausgabe des Magazins dieMotive wurde mir bewusst, welch harte und sehr stressige Arbeit eine Crowdfunding-Kampagne mit sich bringt. Deshalb werde ich an dieser Stelle in möglichst regelmäßiger Folge versuchen, erwähnenswerten fotografischen Projekten zu etwas mehr Öffentlichkeit zu verhelfen.
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Foto: Martin de Crignis
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Aus dem Crowdfundingtext: Ein Fotografie-Projekt über nackte Männerkörper
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The beauty & the boys ist ein Fotobuch, das sich mit der Darstellung von Männerkörpern in der Fotografie auseinandersetzt. Es steht für Geschlechtergerechtigkeit und körperliche Vielfalt, für die Freiheit mit dem eigenen Körper zufrieden zu sein, auch wenn dieser nicht den medialen Normen entspricht. Es steht für Strike a Pose und Every Body is Beautiful.
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Finanzierungszeitraum 20.02.24 - 30.03.24
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AUSSTELLUNG
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Ausstellungsansicht SIZE MATTERS, Foto: Andreas Langfeld
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SIZE MATTERS – GRÖSSE IN DER FOTOGRAFIE - Kunstpalast Düsseldorf
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Hatte ich im letzten Newsletter noch über mögliche Kriterien für gute oder schlechte Ausstellungen geschrieben, so schließe ich diesmal statt eines Fotobuchs eine Rezension und ein Lob für eine gelungene Ausstellung an.
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Es ist nicht ganz unwichtig, durch welche Tür man die Ausstellung SIZE MATTERS im Kunstpalast Düsseldorf betritt. Auf jeden Fall sollte man den Eingang rechts neben den Kassen nehmen. Jedenfalls scheint dies der gewählte Ausgangspunkt für einen möglichen Rundgang im wahrsten Sinne des Wortes zu sein. Schon die Typografie des Ausstellungstitels an der Wand des ersten Raumes spielt bewusst mit der Idee, etwas groß und mächtig erscheinen zu lassen. Schwarz auf weiß prangen die Lettern übergroß an der Wand, so groß, dass das Wort matters die Horizontale der Wand komplett ausfüllt. Links und auch rechts bleibt kein Millimeter weiße Wand übrig. Ein einfacher gestalterischer Trick, um Objekte auf einer Fläche noch größer erscheinen zu lassen. Visuell erfahrbar.
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Die Idee, eine Ausstellung über Größenverhältnisse in der Fotografie zu machen, scheint auf den ersten Blick einfach und naheliegend. Ich befürchtete, viele große und viele kleine Formate in den Räumen zu finden, um mit ein paar Blow Ups ein wenig an der Oberfläche des fotografischen Alltagsgeschäfts zu kratzen. Bissl Düsseldorfer Schule, bissl Blossfeldt, fertig. Es ist alles da, aber so habe ich es nicht erwartet.
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Ebenso wenig findet sich in der Ausstellung der Versuch, das Thema theoretisch zu überhöhen und ihm durch einen heraufbeschworenen Diskurs zu gesellschaftlicher Dringlichkeit zu verhelfen. Natürlich gibt es kurze Wandtexte zu den verschiedenen Bereichen und Räumen der Ausstellung, auch im Katalog (sehr empfehlenswert) finden sich weitere Texte. Unter anderem von Lilian Haberer, Vera Knippschild, Oliver Lugon, Bettina Papenburg, Kathrin Schönegg, Anja Schürmann und Steffen Siegel. Für den Besuch der Ausstellung sind diese jedoch erst im Nachhinein interessant.
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Die leichte Erfassbarkeit und die Möglichkeit, das Gesehene sofort in den Kontext des Ausstellungsthemas einordnen zu können, ist die große Stärke der Ausstellung. Der Kuratorin Linda Conze gebührt Lob für die Leistung, eine Ausstellung mit so vielen unterschiedlichen und auch bekannten Positionen zusammengestellt zu haben, ohne dass man in ein „kenn ich schon“ verfällt. Natürlich ist in dieser Ausstellung nichts wirklich neu. Von der Skulptur Simon Starlings über Karl Blossfeldt und Duane Michals bis hin zu Ruff, Gursky, Lempert, Kessels und der Arbeit „Since you were Born“ von Evan Roth habe ich eigentlich alles so oder so ähnlich in den letzten Jahren schon irgendwo gesehen. Aber nicht in dieser Kombination, in dieser thematischen Klammer. Der Kontext macht die Musik. Und die hört man.
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Beginnt man tatsächlich mit dem Raum neben den Kassen, so steht man nicht nur vor der typografischen Entsprechung des Ausstellungsthemas, sondern sieht direkt eine ganz neue Arbeit, die es ohne die Ausstellung gar nicht gäbe. Die Künstlerin Alex Grein hat sich dem naheliegendsten Bereich, den Abbildungsgrößen innerhalb des fotografischen Bildes gewidmet und das gesamte Thema der Ausstellung quasi fotografisch kommentiert. Den Auftakt bildet eine schlichte Stellwand in der Mitte des Raumes, die mit einer Fototapete beklebt ist, auf der ein gerahmtes Bild zu sehen ist. Interessanter als das schöne und verwirrende Bild (auch von Alex Grein) im Rahmen ist die Fototapete darunter. Für diese Tapete hat Grein das Bild mit der Ritterrüstung (hängt an der Museumswand dahinter) samt Rahmen von der Wand abfotografiert und als Fototapete so weit vergrößert, dass die Rüstung in Originalgröße zu sehen ist. Eine einfache Idee mit großer Wirkung. Denn genau um diese Formen der Vergrößerung, des Maßstabs, des Abbildungsverhältnisses, der Sichtachsen im Raum und der Blickwinkel geht es in der gesamten Ausstellung. Es braucht keinen großen Einführungstext, um den Weg dieser Ausstellung abzustecken. Greins Arbeit genügt. Im Grunde ordnen sich alle anderen Arbeiten dieser Idee unter.
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Auch die Arbeiten von Thomas Ruff, die immer wieder als Vorbild für die Arbeit mit Bildgrößen in der Fotografie herangezogen wurden, sind in dieser Ausstellung nur als (wichtiges) Beispiel für Größe im Porträt zu lesen. Dass Ruff in der Ausstellung einen ganzen Raum einnimmt, mag zunächst verwundern, macht aber letztlich Sinn. Er selbst sagt, dass ihn fast ausschließlich die Vergrößerung oder Verkleinerung interessiert hat. Warum man neben den Verkleinerungen (als Tableau) und den starken Vergrößerungen auch mittelgroße Formate von ihm findet, hat sich mir trotzdem nicht ganz erschlossen. Denn auch diese waren ja Vergrößerungen. Wurde Thomas Ruff eigentlich schon einmal gefragt, warum er die Porträts nie 1:1 ausbelichtet hat? Ob es nach der Verkleinerung auf Filmmaterial immer noch Vergrößerungen wären? Oder ob er sich überhaupt für Menschen interessiert?
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Ausstellungsansicht mit Arbeiten von Thomas Ruff, Foto: Andreas Langfeld
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Diese und viele andere Gedanken schwirrten mir beim Besuch der Ausstellung wie geladene Gäste im Kopf herum. Mit jedem Abschnitt und jedem Raum der Ausstellung kamen weitere hinzu. Einige blieben noch auf einen Drink, andere über Nacht. Nur der Raum mit Erik Kessels Arbeit zum Familienalbum wirkte auf mich wie ein kurzer Gang zum Kiosk, wenn die Getränke leer sind, man muss durch. Nicht erst seit der schrecklichen Arbeit Kessels für das Fotofestival in Breda sind mir die inszenatorisch überladenen Arbeiten Kessels eher unangenehm.
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Und doch kann dieser Ausreißer meine Begeisterung kaum schmälern. Bewertet man (monothematische) Ausstellungen hauptsächlich nach der Umsetzung des Themas, so wäre dies eine 1. Dass der Katalog in diesem Fall eine durchaus mutige, gedankliche Umsetzung und Weiterführung der Ausstellung darstellt, sei hier auch als Kaufempfehlung zu verstehen.
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Ausstellungsansicht „Since you were Born“ von Evan Roth, Foto: Andreas Langfeld
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Man verlässt die Ausstellung nach einem (Halb-)Rundgang durch die fast immersive Arbeit „Since you were Born“ von Evan Roth. Hier ist man als Besucher direkt von den Bildern des Browsercaches des Künstlers umgeben. Man ist buchstäblich mittendrin und beendet die Ausstellung auch dort. Hätte man an dieser Stelle begonnen, wären die Arbeiten und Bilder mit jedem Raum kleiner geworden und Greins Arbeit nicht mehr als eine Notiz am Ende. Also bitte neben den Kassen beginnen.
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Filme zur Fotografie
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ABSTRAKT: DESIGN ALS KUNST
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Es gibt diese Netflix-Doku mit dem seltsamen Titel Abstrakt: Design als Kunst. Zwei Staffeln sind bisher erschienen. Fotografie kam darin nur einmal vor. Der Protagonist war ein Fotograf mit dem klangvollen Namen Platon. Ja, das ist sein richtiger Name. Wer jetzt denkt: „Platon? Who?“, dem geht es wie mir, als ich die Folge zum ersten Mal sah. 2017 veröffentlicht, stellt Netflix damit einen Fotografen vor, der vor allem in den USA für seine Porträts von Prominenten und Politiker*innen für das Time Magazine, The Face, Arena und i-D bekannt ist. Von Clinton über Gaddafi bis Putin ist alles dabei. Dafür gebührt ihm Respekt. Aber das war's auch schon. Die Porträts? Fotografisch eher durchschnittlich und teilweise wie ein Abklatsch des Ali-Porträts von Thomas Hoepker. Nur dass Hoepker ein sehr bewusstes und intelligentes Porträt gemacht hat. Was Platon macht, ist eine Wiederholung eines simplen Rezepts. Berühmtheit, sitzend vor schwarzem oder weissem Hintergrund. Selten sind Unterkörper oder gar Schuhwerk zu sehen. Das wäre nicht schlimm oder kritikwürdig, denn so geht es Millionen von Fotograf*innen auf dem ganzen Planeten und meist gibt es einen guten Grund für die Wiederholung immer gleicher Muster. Wirklich seltsam, wenn nicht gar cringe (der Begriff ist hier wohl angebracht) sind die Momente, in denen Platon selbst über sich und seine Arbeit spricht. Schon nach den ersten 10 Minuten konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen und war kurz davor, laut loszulachen über das, was da so bedeutungsschwanger in die Kamera posaunt wird.
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„I’m not really a photographer at all. The camera is nothing more than a tool. Communication, simplicity, shapes on a page, what’s important is the story, the message, the feeling, the connection.“
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Wow. Da will aber jemand hoch hinaus. Das sind seine ersten Sätze und es wird nicht wirklich besser. In Kombination mit seinen Bildern klafft dann auch eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Die Gastkommentare üben sich ebenso in hemmungslosem Nonsens. So sagt Kira Pollack (Director of photography TIME MAGAZINE): „A Platon Portrait is about lighting, it's about the person's eyes, it's about the graphic nature of how he positions the camera. Sometimes it’s from below, sometimes it’s straight on. Sometimes it’s really about the hands and about getting an exaturated look from the person. It is about getting the soul.“ Hat Netflix ihr etwa vorgegeben, etwas zu sagen, das auf fast alle Porträtfotograf*innen zutreffen könnte? Für den Fall, sollten für die Dokumentation andere Protagonist*innen ausgewählt werden? "Sometimes it’s from below, sometimes it’s straight on.“ Klar, so ist das mit den zwei möglichen Perspektiven.
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Wenn Netflix ihn am Ende der Doku in den Kongo begleitet, um dort Fotos für eine NGO zu machen, bekommt die bis dahin eher unfreiwillig amüsante Dokumentation einen sehr bitteren Beigeschmack. Ein bisschen zu viel white hero complex. Und mehr als Porträts vor weißem Hintergrund kommen dann auch nicht heraus.
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Dass auch Colin Powell vorkommt und vor der Kongoreise noch ein Abstecher in die Heimat Platons (Griechenland) gemacht wird, sei nur am Rande erwähnt. Anschauen kann man die Doku natürlich trotzdem. Entweder als mahnendes Beispiel, wie man einen Dokumentarfilm über Fotograf*innen nicht machen sollte, oder einfach zum Schmunzeln über die großen Worte, die da so gesprochen werden.
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Warum ausgerechnet dieser Fotograf in der Dokureihe den Bereich der Fotografie repräsentiert, war mir zumindest hinterher noch unklarer als vorher. Vielleicht wollte Netflix ja eine Doku über den Philosophen machen und dann standen sie da plötzlich in nem Fotostudio.
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Zu finden bei Netflix. Und hat auf IMDb ein 8,5. Also vielleicht doch sehenswert.
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Eigene Sachen
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Eine neue Podcast-Episode ist für kommende Woche geplant. Darin wird es um Archive, Bücher, Kataloge und iPads gehen. Wer könnte das wohl sein?
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Dies war der fünfte Newsletter. Der nächste Newsletter erscheint in zwei bis drei Wochen.
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