Ausstellung

SOFIA (София)

SOFIA (София)

Nachdem die großen Hoffnungen der EU-Osterweiterung sich nur teils erfüllten und
zunehmend verblassten, verbreitete sich auch in Bulgarien ein wachsender Widerwille
gegen den von der EU eingeforderten Liberalismus. Das antiwestliche Ethos, das in vielen
postkommunistischen Ländern heutzutage vorherrscht, ist nach Ivan Krastew auch eine
Reaktion auf die moralische Hegemonie des Westens, die 2015 ihren Höhepunkt fand. Im
politischen und gesellschaftlichen Diskurs versah das Vorbild EU seine Nachahmer und
Neumitglieder mit abwertenden Etiketten, was zu weiterer Entfremdung führte. Die
Orientierung nach Westen nimmt zu Gunsten einer Hinwendung nach Russland
zunehmend ab. Warum ist das so?
Bulgarien ist ein schrumpfendes Land, dessen Bevölkerung seit 1989 um 2,5 Millionen
Menschen abnahm. Ähnlich wie in Ostdeutschland sind Agile und Gutausgebildete gegen
Westen gezogen. In Sofia herrscht politische Instabilität, was viele und kurz aufeinander
folgende Wahlen nach sich zieht. Im Rahmen des EU-Harmonisierungsprozesses hat sich
einiges in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zum Besseren gewandelt. Im Gegenzug
sieht sich die bulgarische Bevölkerung mit Werten und Normen konfrontiert, die sich mit
den traditionellen und identitätsbildenden Einstellungen nicht decken – insbesondere auf
dem Land. Die Bulgaren sehen sich zwischen Conchita Wurst und Wladimir Putin
eingeklemmt, wie die FAZ kürzlich ironisch formulierte.
Vor diesem Hintergrund reisten wir, 14 Fotografiestudierende der Hochschule Bielefeld, im
Mai 2024 nach Sofia, der Hauptstadt Bulgariens. Ausgangspunkt der einzelnen Arbeiten
war indes nicht die politische Großwetterlage. Vielmehr leitete uns ein unverstelltes
Interesse und zugewandte Neugier auf die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner,
ihre Geschichte und Geschichten, ihre sozialen Strukturen, religiösen Gemeinschaften und
urbanen Gegebenheiten. Wir durchstreiften Straßen und Plätze, begegneten Menschen,
stets auf der Suche nach dem authentischen Bild einer Stadt und einer Kultur, die uns
ebenso fremd wie gleichermaßen vertraut erschien.