Wer bist Du?
Ich bin Viele
Womit beschäftigst Du Dich in Deiner Arbeit am meisten?
Mit Fundstücken, sie sind mein Arbeitsmaterial. Ich finde sie auf Straßen, in Containern oder auch auf Flohmärkten. Mit diesen Ablagerungen der modernen Kultur bewege ich mich zwischen den Genres Fotografie, Skulptur, Installation und Performance. Die fotografische Selbstinszenierung, in denen ich als Schauspieler, Requisiteur, Regisseur und Fotograf fungiere und die ich in meinem Studio mit einem Selbstauslöser herstelle, ist einer meiner Schwerpunkte. Eingehüllt in gebrauchte Kleidungsstücke und Alltagsobjekte, verwandele ich mich in anonyme, manchmal groteske oder aber auch androgyne Figuren, die auf spielerische Weise auf Skulpturen – teilweise auf die Kompositionen alter Meister, verweisen. Die fotografischen Dokumente beinhalten aber auch die lange Tradition des Selbstportraits, konterkarieren es aber gleichzeitig durch ihre Maskerade und führen es ad absurdum. Das Gesicht fehlt, die Dinge werden zu Ausdrucks-Prothesen. Die Umdeutung der Dinge, die Neubewertung von vermeidlich Wertlosen steht bei mir immer wieder im Vordergrund. So treffen die Betrachter*innen in den Arbeiten auf alltägliche Gegenstände, welche ihnen nicht mehr dienen müssen und stattdessen eine eigene künstlerische Welt voller Schabernack präsentieren. Dabei bleibt offen, ob diese Bilder einem Zweck dienen oder ob die Vehikel einem höheren Unsinn folgen.

Welche Deiner Arbeiten ist für den Merck-Preis nominiert?
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Woran arbeitest Du momentan?
Im Moment arbeite ich an neuen Seestücken. Da gibt es schon Einige, die unter anderem gerade in meiner Ausstellung Trasher Island in der Gerisch-Stiftung in Neumünster gezeigt werden. Es sind surreal anmutende Horizonte, kombiniert mit realen Fundstücken, die sich kommentarisch oder harmonisch ins Bild fügen oder wie Erinnerungsobjekte sich am Himmel oder über dem Gewässer zeigen. Die Hintergründe sind vergrösserte Abbildungen von Nahaufnahmen. Nahaufnahmen von gefundenen Brettern ( z.B.: Schranktüren, Regalböden oder Kommodenrückwände…) zum Teil starken Abnutzungsspuren, die sich ganz malerisch darbieten. Zwei davon im rechten Winkel zueinander aufgestellt bilden ganz einfach den Horizont. Durch einen bestimmten Winkel, Bildauschnitt und die entsprechende Vergrösserung, erinnern diese Fotografien an Blicke in die Ferne, besten Falls an den Blick übers Meer bis an dessen Horizont und einem unendlichen anmutenden Himmel. Klar, Caspar David Friedrich lässt Grüssen. Es ist natürlich ein romantisierter Blick. Auch hier interessiert mich die Gleichzeitigkeit. Zum einen nur wertloses schnödes Material, zum anderen wertvolle erzählerische bildgebende Objekte. Ein scheinbarer Blick in die ferne Unendlichkeit, konstruiert durch das Close Up. Solche scheinbaren Wiedersprüche interessieren mich.
Welches (Foto-) Buch kannst Du empfehlen?
Was für mich wirklich ein wichtiges Buch ist und war, habe ich vor langer Zeit gelesen…. Das Unscheinbare: Phänomenologische Beschreibungen von Stoffen, Dingen und fraktalen Gebilden von Jens Soentken Ich denke der Titel gibt einem schon eine Idee worum es geht. Es ist inzwischen leider vergriffen, aber man kann das ganze Buch komplett als PDF online lesen oder sich kostenfrei herunterladen. Marcel Duchamp, The Afternoon Interviews von Calvin Tomkins Sehr lesenswert, kleines Buch mit Interviews mit Duchamp, sehr unterhaltsam und vor allem sehr erhellend. Und von Monika Wagner, Das Material der Kunst – Eine andere Geschichte der Moderne
Was möchtest Du sonst gerne zeigen oder sagen?

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