Dass künstlich erzeugte Bilder nichts mit Fotografie zu tun haben, dürfte mittlerweile Allgemeingut sein. Und bitte verwechseln Sie die visuelle Ähnlichkeit der Oberfläche nicht mit einem technischen Zusammenhang. Wer einen Helm trägt, ist noch lange kein Polier. Sondern zunächst nur jemand mit Helm. Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um als Fotografie bezeichnet zu werden, darüber wurde schon vor der Einführung des Kleinbildfilms und der massenhaften Produktion und Rezeption privater und öffentlicher Fotografie gerne diskutiert.
Und doch scheint seit der frei zugänglichen Möglichkeit, Bilder durch die Eingabe von Prompts zu generieren, eine Welle der Erregung durch diverse Medien bis hin zu den digitalen Stammtischen zu geistern, die vom Untergangsszenario einer ganzen Branche bis hin zum Untergang der Menschheit reicht. Immer orientiert an den technischen Wahrscheinlichkeiten und dem festen Glauben, dass Computer und Algorithmen etwas mit der Welt zu tun haben.
Mit der digitalen, online-Smartphone-Welt auf jeden Fall. Mit der Welt, in der wir uns physisch bewegen, sicher nicht. Auch die Aufzählung aller möglichen Berührungspunkte mit Algorithmen (Verkehrsmittel, Ampeln, Lampen, Kleidungsproduktion, Telefone etc.) kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir selbst dafür verantwortlich sind, uns nicht zu verletzen, wenn wir über einen Stein stolpern.
Es ist schon viel über KI, Fotografie, ChatGPT und die mögliche Zukunft geschrieben worden. Meist mit negativem Unterton, dystopischem Unsinn oder sonstiger Aufgeregtheit, die sich immer nur um das dreht, was gerade technisch möglich ist, um daraus abzuleiten, was in Zukunft alles möglich sein wird. Fast nie habe ich gelesen oder gehört, dass wir selbst dafür verantwortlich sind, was und in welcher Form erdacht und produziert, verbreitet und geglaubt wird. Für die Zukunft sind immer die anderen verantwortlich.
Was kurz nach dem öffentlichen Zugang zu ChatGPT, Stabile Diffusion, Dall E2 etc. an „Versuchen“ durch das Internet geisterte, war kaum zu ertragen. Von ChatGPT-Interviews über unzählige Vergleiche zwischen “echten” und “gefälschten” Fotos bis hin zu billigen Beweisen, was KI-Bildgeneratoren schon heute zu produzieren in der Lage sind. Großartig. Mehr als ein Hochziehen der Augenbraue ist als Reaktion überflüssig.
Natürlich ist die Möglichkeit verlockend, in Sekunden, Minuten, Stunden Bilder zu produzieren, deren Inhalte mit den Mitteln der Fotografie kaum möglich gewesen wären. Warum aber künstlich erzeugte Bilder die Fotografie verdrängen oder gar ersetzen sollen, ist mir ein Rätsel. Wenn dem so wäre, dann hätte das einen einfachen Grund: Die Unterschiede zwischen einem künstlich generierten Bild und einer Fotografie sind so groß, dass diejenigen, die das eine durch das andere ersetzen, nie an die Stärken der Fotografie geglaubt haben.
Degradiert zu Symbolbildern
Es liegt auf der Hand, dass im Bereich der kommerziellen Fotografie und insbesondere im Bereich der Stockfotografie eine große Aufregung herrscht, denn gerade hier wurde der Bildinhalt schon immer gegen die Oberfläche ausgespielt. Auf Kosten des Inhalts. Wer oder was auf den Stockbildern der Agenturen zu sehen war, spielte nie eine gewichtige Rolle, es musste nur „aussehen wie“, mehr nicht. Fast alle Bilder wurden zu Symbolbildern degradiert. Diese lassen sich nun leicht generieren. Irgendwo zwischen Unterhaltung und Klischeebestätigung, die sich im Kreis dreht. Dafür muss niemand mehr genervt eine Kamera in die Hand nehmen. Das ist toll. Wirklich.
Gleichzeitig ist es erstaunlich, wie die Diskussion über diese „neuen Bilder“ öffentlich und auch privat in den diversen Verbänden, Podcasts, Interviews, Kolumnen oder wo auch immer geführt wird. Nirgendwo habe ich gelesen, dass eine selbsternannte Kreativbranche selbstbewusst genug vor der eigenen Arbeit steht und sagt: „Who cares about AI, wir sind kreativer als der Algorithmus“ Gerade im Bereich der Fotografie war (und ist) der Schrei nach Regulierung, Politik und Kennzeichnungspflicht so schnell in aller Munde, dass ich aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Eigenverantwortung Fehlanzeige. Wenn man nicht einmal selbst an die Kraft der menschlichen Kreativität und die Stärken der Fotografie glaubt, warum sollte einem dann jemand Geld für etwas geben, von dem man öffentlich zugibt, dass es ein Computer besser kann? Ich habe mich manchmal vor Framdscham unter der Bettdecke versteckt.
Was KI-Bildgeneratoren problemlos erzeugen können, sind Bilder, wie sie fotografisch nicht möglich sind, oder eben Bilder, die wie Fotografien aussehen. Welche Motivation dahinter steckt, etwas fotografisch aussehen zu lassen, ist mir ein Rätsel. Außer der Unmittelbarkeit und dem zweifelhaften Realitätsversprechen tragen diese Bilder nichts in sich. Im Bereich der kommerziellen Bildproduktion ist der Nutzen nicht von der Hand zu weisen. Bilder, wie man sie gerade braucht, mit wenig Aufwand produziert und somit billig in der Herstellung. Eine Oberflächenware, die sich nie um inhaltliche Relevanz kümmern musste.
Keine der großen Stärken fotografischer Bilder war hier je vonnöten. Schon gar nicht, dass ein Mensch mit einer Kamera irgendwo auf der Welt steht und zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Foto von einem bestimmten Ding, Sachverhalt oder anderem physischen Material macht. Wofür Illustrator*innen viel Zeit brauchten, ist nun mit wenigen Texteingaben in unzähligen Varianten möglich. Das ist schön. Aber nur ein kleiner Teil des fotografischen Kosmos. Die Bereiche Dokumentarfotografie, Reportage, Kunst, Portrait, Stillleben und alle möglichen Zwischenbereiche sollten weiterhin auf die Kraft des Fotografischen zählen können.
Allen gemeinsam ist der Kontakt mit der physischen Welt. Damit ist nur bedingt der indexikalische Duktus gemeint. Was jede Fotografie in sich trägt, ist immer die Gewissheit, dass das Bild oder auch die Serie einen Gegenstand von Interesse zeigt, über den es etwas zu erzählen gibt. Vom fotografierten Kieselstein bis zum Porträt. Immer hat eine Fotografin oder ein Fotograf einen Kontakt zwischen Betrachter*in und Gegenstand hergestellt. Immer gibt es etwas zu erzählen, eine Motivation zu beschreiben, etwas über die Welt zu vermitteln. Genau diese Stärke in der Form der Vermittlung fehlt jedem KI-Bild völlig. Hinter den Bildern steht keine Erzählung, kein Narrativ über das Leben und die Dinge. AI-Bilder leben von Gedanken, und diese Gedanken können zur Schau gestellt werden. Das kann manchmal beeindruckend aussehen. Mehr aber auch nicht. Sie können keinen Kontakt herstellen, weil sie keine Kontaktfähigkeit besitzen, und ihre einzige Stärke liegt in der Wirkung, die sie auf den Betrachter haben können. Als Beispiel nehme ich gerne die Bilder von Charlie Engman. Sie bedienen sich einer Oberfläche, die visuell überrascht, weil der Uncanny Valley-Effekt perfekt ausgenutzt wird.
Fotografisch anmutende Bilder, aufgepeppt mit verstörenden Elementen, mit Dingen, die in der realen Welt so nicht möglich wären oder nur mit großem Aufwand inszeniert werden könnten. Wären sie fotografiert, würde sich die Frage stellen, was das soll, warum das so aussieht. Bei KI-Bildern scheint sich diese Frage nicht zu stellen. Sie sind, wie sie sind, das scheint zu genügen.
Wenn man dann noch bedenkt, dass es nun möglich sein soll, wirklich jedes Pixel beschreiben zu können und somit die absolute Allmacht über das Bild nicht mehr von materiellen Dingen abhängt, dann sollten die selbsternannten Künstler*innen nun wirklich problemlos in der Lage sein, jedes Pixel erklären zu können. Sie haben es sich ja selbst ausgedacht und beschrieben. Fragt nur niemand nach, oder die Künstler*innen flüchten sich schon vorab in Verweise auf Träume, Traumata oder sonstige nicht zu verifizierende Konzeptunterbauten.
Dass man mit solchen Bildkonzepten auf Dauer in der Bedeutungs- und Relevanzlosigkeit versauert, ist hoffentlich klar. Wenn die Bilder keinen weltlichen Grund mehr haben, keinen Kontakt oder irgendeine Form der Vermittlung, dann besteht ihre Geschichte nur noch aus Gedanken, also aus Fiktionen. Damit lassen sich wunderbare Geschichten erzählen, Welten erschaffen, neue Erzählungen konstruieren, aber einer Aussage über irgendetwas kommen sie nicht näher. Die Träume anderer sind für Zuhörer*innen (Betrachter*innen) selten beeindruckend, so verrückt sie auch sein mögen. Sie hinterlassen nichts.
Wie Günther Anders so treffend bemerkte, ist „das Medium der Photographie … als solches so glaubwürdig, so objektiv, dass es mehr Unwahrheiten aufnehmen, sich mehr Lügen leisten kann als jedes andere Medium zuvor“.
Was für die Bilder der KI bedeuten würde, dass die Unwahrheiten nicht einmal mehr der Absorption bedürfen, sie sind per se Unwahrheiten, die die Lüge nur noch durch Konzepte zu verschleiern vermögen.
In der (Foto)Kunst war das Erzählen immer an die Welt geknüpft. Fotografische Arbeiten, die sich der Fiktion bedienten, haben selten beeindruckt oder von künstlerischer und konzeptioneller Stärke gelebt. Die meisten Ausnahmen haben gemein, dass sie zusätzlich das fotografische Wahrheitsversprechen, die Indexikalität oder die Unmittelbarkeit der Dinge zum Thema hatten.
Das Beste Beispiel ist die Arbeit Fauna von Joan Fontcuberta. Ein Dr. Ameisenhaufen wäre als KI-Arbeit genauso witz- wie sinnlos.
Gleiches gilt für interessante KI-Bilder bzw. Arbeiten. Das Thema ist dann die technisch-mathematische Herstellung, die Oberfläche oder die Nutzung von Algorithmen selbst. Wie Testbilder eines Siemenssterns.
Ich bezweifle, dass es jemals künstlerisch-fotografische Arbeiten mit einer vergleichbaren Relevanz und Weltbezogenheit wie die von Taryn Simon, Edmund Clark, Laia Abril, Carrie Mae Weems oder Gillian Wearing mit KI-Bildern geben wird. Diese Künstler*innen finden nicht nur ihre Themen in der Welt, sondern bringen auch die Bilder von dort mit. Das ist ihre einzigartige Stärke, die eine künstliche Intelligenz zwar simulieren kann, aber nicht wirklich erreicht. Da kann man noch so viele digitale Avatare im Stil der 20er und 30er Jahre erstellen, um drei Jungbauern auf einem Feld zu begegnen, muss man sich vom Bildschirm entfernen und Kontakt aufnehmen.